Der Quadrant-Telemeter: Ein Sternenkompass
Wenn wir über Notfallnavigation in der Nacht reden, beziehen wir uns normalerweise auf die Methode des Auffindens des Nordens mit dem Polarstern in der nördlichen Hemisphäre oder mit dem Sternbild Kreuz des Südens in der südlichen Hemisphäre.[1]
Wie können wir die Himmelsrichtung finden, wenn der Polarstern oder das Kreuz des Südens verdeckt ist, sei es durch Wolken oder Hindernisse wie Berge, Wälder oder ähnliches? Wenn der Himmel nicht komplett bedeckt ist, können wir alle sichtbaren Sterne verwenden, deren Deklination wir kennen, solange wir sie am Himmel sehen und identifizieren können (nicht zuletzt durch die Sternbilder, in denen sie sich befinden).
Die Deklination eines Sternes im Vergleich zur Deklination der Sonne verändert sich (fast[2]) nicht im Laufe eines Jahres und bleibt konstant unabhängig von Jahres- und Tageszeit. Das liegt daran, dass die Entfernung zum Stern in Vergleich zum Erddurchmesser praktisch unendlich ist und dass bestimmte Sterne nur zu bestimmten Zeiten im Jahr sichtbar sind. So sind z.B. die Wintersterne und -Sternbilder im Herbst im Osten erst gegen Morgen (kurz vor Sonnenaufgang) sichtbar, im Winter die ganze Nacht über -- um Mitternacht im Süden. Im Frühling werden diese schon im Westen (kurz nach Sonnenuntergang) sichtbar, gleich nach Einbruch der Dunkelheit. Im Sommer wären sie in der Nähe der Sonne sichtbar -- wenn die Sonne sie nicht überstrahlen würde (auch bedingt durch unsere Atmosphäre).
Wie können wir die konstante Deklination für die Navigation und das Auffinden der Himmelsrichtungen nutzen?
Die in diesem Tutorial beschriebenen Methoden können mit jedem Quadrant-Telemeter durchgeführt werden und nicht nur mit dem Stunden- oder Breitengradquadranten.
Methode 1
Wir nutzen die Aufgangs- bzw. Untergangsrichtung des Sterns für das Auffinden des Ostens oder des Westens -- als Sternenkompass. Diese Methode haben polynesische Seefahrer schon Jahrhunderte vor der Entwicklung des Kompasses durch die Chinesen verwendet um zwischen den vielen Inseln Polynesiens zu navigieren.
So wie die Sonne, gehen die Sterne in Osten auf und im Westen unter. Leider gehen nicht alle Sterne genau in Osten auf und im Westen unter, sondern die Sterne mit positiver Deklination im Bereich zwischen 0° und +(90 - ABS(Breitengrad))° gehen zwischen Norden und Osten auf und zwischen Westen und Norden unter. Die Sterne mit negativer Deklination zwischen 0° und -(90 - ABS(Breitengrad))° gehen zwischen Osten und Süden auf und zwischen Süden und Westen unter (Abbildung 1). Nur die Sterne mit der Deklination 0° gehen genau im Osten auf und im Westen unter.
Sterne mit einer Deklination größer als (90 - |φ|)° und mit gleichem Vorzeichen als Breitengrad sind zirkumpolar, sind also die ganze Nacht sichtbar und gehen weder auf, noch unter. Sterne mit einer Deklination größer als (90 - |φ|)° und mit gegengesetztem Vorzeichen als Breitengrad sind nicht sichtbar.
Abhängig vom Breitengrad (φ) unseres Beobachtungsortes werden alle Sterne abhängig von ihrer Deklination in drei Gruppen ihrer Sichtbarkeit aufgeteilt:
- Zirkumpolare Sterne: Sterne, die nie untergehen und sowohl bei der oberen als auch der unteren Kulmination sichtbar sind.
- Nicht immer sichtbare Sterne: Sterne, die auf- und untergehen, deren untere Kulmination nicht sichtbar ist, da diese unter dem Horizont stattfindet.
- Nie sichtbare Sterne: Sterne, die an diesem Beobachtungsort weder auf- noch untergehen und deren sowohl obere als auch untere Kulmination unter dem Horizont stattfindet.
Tab. 1 zur Sichtbarkeit von Sternen gibt den Überblick.
Standort des Beobachters | Sichtbarkeit der Sterne, die folgende Bedingungen erfüllen | ||
zirkumpolar: immer | nicht immer | nie | |
Nordpol φ = +90° |
δ > 0° d.h. der Nordhimmel |
- | δ < 0° d.h. der Südhimmel |
Nordhalbkugel 0° < φ < +90° |
δ > +(90° - φ) | -(90° - φ) < δ < +(90° - φ) | δ < -(90° - φ) |
Äquator φ = 0° | - | -90° < δ < +90° | - | Südhalbkugel -90° < φ < 0° | δ < -(90° - φ) | -(90° - φ) < δ < +(90° - φ) | δ > +(90° - φ) |
Südpol φ = -90° |
δ < 0° d.h. der Südhimmel |
- | δ > 0° d.h. der Nordhimmel |
Wie können wir erkennen, wo die Sterne auf- oder untergehen, wenn ihre Bewegung so langsam ist, dass die fast statisch wirken? Hier können wir die Methode aus dem Tutorial Messen von Sternzeit nutzen, nur dass wir vertikal gegen den Horizont messen. Eine andere Methode ist, durch Beobachtung bekannter Sternbilder zu verfolgen, wie sich ihre Neigung am Horizont im Osten, in der Höhe im Süden und wieder am Horizont im Westen ändert (Abbildung 2, am Beispiel des Sternbilds Orion).
Um Ost und West genau zu bestimmen, müssen wir mit der Deklination δ des Sterns dessen Aufgangsazimut αrise bzw. Untergangsazimut αset für den Breitengrad φ des Beobachtungsortes berechnen. Dafür verwenden wir entweder die Formel für den Sonnenaufgangsazimut aus dem Handbuch oder vereinfacht:
αrise = arccos(sin δ / cos φ)
αset = 360° - arccos(sin δ / cos φ)
Diese Formeln liefern den Aufgangsazimut von 0° für Norden über 90° für Osten bis 180° für Süden sowie den Untergangsazimut von 180° für Süden über 270° für Westen bis 360° für Norden.
Wir können den entsprechenden Azimut auch mit der Methode, die im Tutorial Sonnenaufgangsrichtung mit dem Sinusquadranten beschrieben ist, berechnen.
Nach dem wir den Azimut berechnet haben, peilen wir den Stern am Horizont über den Scheitelpunkt des Quadranten und den berechneten Azimut an (Abbildung 3, am Beispiel des Sterns Beteigeuze (Aufgangsazimut für den Breitengrad 50° Nord ist 78,42°)). Dabei korrigieren wir den Azimut für das Peilen anhand der Quadranten in Abbildung 1 wonach die beiden Seiten des Quadranten die wahren Himmelsrichtungen anzeigen.
Abbildung 4: Um das Peilen einfacher zu machen, kann eine kleine Holzleiste mit zwei kleinen Nägeln verwendet werden. Ein Nagel wird im Quadrant-Scheitelpunkt positioniert und ein anderer außerhalb des Quadranten. Die zwischen Scheitelpunkt und äußerem Nagel gespannte Schnur hilft den gesuchten Azimut einzustellen.
Tabelle 2 zeigt die 59 "Navigationssterne" mit Sternbild, Deklination und der Vollständigkeit halber mit SHA (sidereal hour angle) und Stundenwinkel RAh für die Epoche 2020. Diese Sterne sind hell genug, um bei mäßiger Lichtverschmutzung am Himmel erkannt zu werden.
In der Tabelle sind auch die berechneten Azimute der Sterne für den Breitengrad 50° Nord und der Sternhöhe 0° (am Horizont) zu sehen. Die Exceltabelle steht für eigene Berechnungen zur Verfügung.
Was können wir tun, wenn ein bekannter Stern, den wir zum Aufgang anvisieren wollen, schon über dem Horizont ist oder zum Untergang den Horizont noch lange nicht erreicht hat? Wenn der Abstand des Sternes zum Horizont noch unter 30° liegt, können wir die Position des Sterns auf den Horizont "projizieren" wie am Beispiel des Sterns Mintaka (δ Orionis) dargestellt (Abbildung 5). Der Stern Mintaka hat eine Deklination von -0,30°, was ziemlich nahe am Himmelsäquator liegt. Deswegen befindet sich unsere "Projektion" so nahe an den Himmelsrichtungen Ost und West.
Diese "Projektion" beruht auf der Tatsache, dass sich die Sterne parallel zum Himmelsäquator bewegen. Der Himmelsäquator liegt bei einem Winkel von ±90 - |φ|. Im Westen verwenden wir den Winkel φ, da wir die andere Seite des Quadranten nutzen.
Diese Methode kann für die Landnavigation nur beschränkt angewendet werden, da die verwendete Formel nur für den wahren Horizont, wie er auf See zu sehen ist, funktioniert.
Um dieses Problem zu lösen, können wir wie folgt vorgehen:
- Die Höhe hs einen Sterns (möglichst tief über dem Horizont) mit dem Quadranten messen.[3]
Den Aufgangsazimut bzw. Untergangsazimut mit den folgenden Formeln berechnen:
αrise = arccos((sin δ - sin φ · sin hs) / (cos φ · cos hs))
αset = 360° - arccos((sin δ - sin φ · sin hs) / (cos φ · cos hs))
Diese erweiterten Formeln liefern den Aufgangsazimut von 0° für Norden, 90° für Osten, 180° für Süden und den Untergangsazimut von 180° für Süden, 270° für Westen, 360° für Norden.
Den Stern mit dem berechneten Azimut wie oben beschrieben anpeilen und die Himmelsrichtungen bestimmen.
Methode 2
Wir nutzen die Kulminationshöhe eines Sterns für das Auffinden von Süden bzw. Norden. Bei der Kulmination erreicht ein Stern seinen höchsten Stand (den maximalen Höhenwinkel) über dem Horizont und überquert in diesem Moment den lokalen Meridian, der von Norden über den Zenit des Beobachtungsortes nach Süden verläuft. Wenn wir so den Kulminationspunkt eines Sterns bestimmen können, finden wir den Azimut des wahren Südens bzw. Nordens abhängig vom Stern und seiner Deklination.
Die Kulminationshöhe und Richtung für einen Stern mit der Deklination δ für einen Breitengrad φ kann mit Hilfe der Formel "Sonnenhöhe via Stundenwinkel" berechnet werden.
hs = arcsin(sin φ · sin δ + cos φ · cos δ · cos τ)
Für die Berechnung der Sternhöhe für die obere Kulmination verwenden wir als Stundenwinkel τ einen Wert von 0° und für die untere Kulmination einen Wert von 180° (12 Stunden · 15°).
Diese Formel liefert den Höhenwinkel eines Sterns im Bereich von +0° (südlicher Horizont) bis +90° (Zenit) wenn der Stern sich südlich vom Beobachtungspunkt befindet und von -90° (Zenit) bis -0° (nördlicher Horizont) wenn der Stern sich nördlich vom Beobachtungspunkt befindet.
Noch einfacher können wir die Kulminationshöhe (hs) eines Sterns mit folgenden Formeln für die obere oder untere Kulmination berechnen unabhängig davon, ob wir uns in der nördlichen oder südlichen Hemisphäre befinden:
- Obere Kulminationshöhe:
hok = +90° - |δ - φ|
- Untere Kulminationshöhe:
huk = -90° + |δ + φ|
Wer einen Quadranten zur Hand hat, kann die Kulminationshöhe mit Hilfe des Quadranten über die Deklination δ berechnen.
Als erstes berechnen wir die Höhe des Himmelsäquators he anhand des Breitengrades φ des Beobachtungsortes:
- Nördliche Hemisphäre:
he = 90° - φ
- Südliche Hemisphäre:
he = 90° + φ
Ist das Ergebnis positiv, wird die Höhe des Sterns vom südlichen Horizont gemessen, ist es negativ, vom nördlichen.
Der Breitengradquadrant, wie in dieser Anleitung verwendet, zeigt bei den Symbolen ♈ / ♎ auf der Kalenderskala die Position des Himmelsäquators an (Abbildung 7). Für den Breitengrad 50° Nord sind das 40° über dem Horizont.
Nachdem wir die Höhe des Himmelsäquators gefunden haben, können wir die Kulminationshöhe eines Sterns anhand seiner Deklination berechnen.
Betrachten wir den Stern a (Abbildung 7), dessen Deklination negativ ist, bei -15°. Wir subtrahieren 15° von der Höhe des Himmelsäquators und lesen von der Winkelskala die Kulminationshöhe 25° ab. Die obere Kulminationshöhe des Sterns a mit der Deklination -15° ist 25° vom südlichen Horizont. Die untere Kulmination für diesen Stern wird für uns nicht sichtbar, da sie 6 Monate später am Tage stattfinden wird bei einer Höhe von -55° (also unter dem Horizont).
Betrachten wir den Stern b (Abbildung 7), dessen Deklination positiv ist, bei 20°. Wir addieren 20° zur Höhe des Himmelsäquators und lesen von der Winkelskala die Kulminationshöhe 60° ab. Die obere Kulminationshöhe des Sterns b mit der Deklination 20° ist 60° vom südlichen Horizont. Die untere Kulmination für diesen Stern wird für uns nicht sichtbar, da sie 6 Monate später am Tage stattfinden wird bei einer Höhe von -20°.
Ein Stern mit der Deklination δ gleich dem Breitengrad φ ist ein Zenitstern oder "Overhead Star". In unserem Beispiel sind dies alle Sterne mit einer Deklination von 50°.
Lerne Deine Zenitsterne, und Du wirst immer den Weg nach Hause finden![4]
Betrachten wir den Stern c (Abbildung 8), dessen Deklination positiv ist, bei 70°. Wir addieren 70° zur Höhe des Himmelsäquators und bekommen einen Höhenwinkel von 110°, was 20° über der Zenithöhe ist. Das bedeutet, dass dieser Stern sich zwischen den Zenit und dem nördlichen Horizont befindet. Wir drehen unseren Quadrant so, dass 0° der Winkelskala dem nördlichen Horizont entspricht (in Abbildung 8 gedreht und gespiegelt). Jetzt ziehen wir 20°, den Winkel, der über dem Zenit lag, von 90° ab, und lesen auf der Winkelskala die Kulminationshöhe von 70°. Die obere Kulminationshöhe des Sterns c mit der Deklination von 70° ist bei 70° vom nördlichen Horizont. Da es sich um einen Zirkumpolarstern handelt (Deklination δ des Sterns ist grösser als (90 - Breitengrad φ) mit gleichem Vorzeichen), können wir auch die untere Kulmination für diesen Stern berechnen. Dafür ermitteln wir den Winkelabstand zwischen der oberen Kulminationshöhe und der Polhöhe, die gleich dem Breitengrad φ ist. Diesen Winkelabstand legen wir jetzt von der Polhöhe zum nördlichen Horizont an und lesen auf der Winkelskala die untere Kulminationshöhe. In unserem Beispiel sind das 30°. Demnach ist die untere Kulminationshöhe des Sterns c mit der Deklination von 70° bei 30° vom nördlichen Horizont.
Jetzt nachdem, wie wir die Kulminationshöhe eines Sternes berechnet haben, können wir (durch mehrere Messungen) die Sternhöhe messen, bis der Stern seinen Höchststand (Kulminationshöhe) erreicht hat. Dann befindet sich der Stern genau am Meridian und zeigt uns die Süd- bzw. Nordrichtung an.
Möge Dein Quadrant-Telemeter immer mit Dir sein!
Wenn wir die oben beschriebene Methode zur Kulminationshöhe umdrehen, können wir mit Hilfe der Sterneck-Methode unsere geographische Breite berechnen. Dabei wird die Zenitdistanz (z) des Sterns beim Meridiandurchgang (obere Kulmination) gemessen oder aus der gemessenen Kulminationshöhe (hs) vom Horizont mit der Formel z = 90° - hs berechnet. Daraus ergibt sich mittels der bekannten Deklination (δ) des Sterns die geographische Breite (φ).
- Bei Südsternen:
φ = δ + z
- Bei Nordsternen:
φ = δ - z
Zeitdifferenz zwischen Kulmination und Sternenuntergang bzw. -aufgang
Mit dem Stundenquadranten können wir auch die Zeitdifferenz zwischen Kulmination und Sternenuntergang bzw. Sternenaufgang berechnen:
- Wir legen die Deklination δ des Sterns vom Himmelsäquator mit der Schnur ab, wie es bei der Methode zu der Ermittlung der Kulminationshöhe für den Stern a und b beschrieben ist.
- Dann setzen wir den Läufer auf die Sinuskurve und verschieben die Schnur auf die 0°-Markierung.
- Danach lesen wir die Zeitdifferenz bis zum Sternenuntergang bzw. Sternenaufgang ab.
- Jetzt können wir die Zeit der Kulmination des Sterns errechnen, nachdem der Stern über dem Horizont aufgegangen ist.
Kulminationszeit eines Sterns
Um die Kulminationszeit eines Sterns für das aktuelle Datum zu berechnen, muss zuerst die aktuelle Sternzeit für das aktuelle Datum, die Uhrzeit und der Längengrad des Beobachtungsortes berechnet werden. Diese berechnete Sternzeit wird dann von der Rektaszension (ah) des jeweiligen Sterns (Tab. 2) abgezogen und das Ergebnis zu der Uhrzeit, die für die Berechnung der Sternzeit verwendet wurde, addiert. Das Ergebnis ist die Uhrzeit der Kulmination des Sterns zum aktuellen Datum.
Für die Zusammenhänge zur Sternzeit[5], siehe die Erklärung im Handbuch.
In Tab. 2 kann der Tag, an dem der gesuchte Stern mit einer Genauigkeit von ±4 Minuten zur lokalen Mitternacht kulminiert, gefunden werden. Die Angabe des Tages ist mit ±1 Tag angegeben. Gleiches kann mit dem graphischen "Rechner" in Abb. 9 ermittelt werden, indem auf der ah-Skala die Rektaszension eines Sternes eingestellt und das Datum, an dem der Stern um Mitternacht kulminiert, auf der Kalenderskala abgelesen wird.
Um die Kulminationszeit eines Sterns für einen beliebigen Tag zu finden, wird der Abstand in Tagen zwischen dem gewünschten Datum und dem Datum, an dem der Stern um Mitternacht kulminiert, berechnet und mit ca. 4 min / 1 Tag (genau 3,94 min oder 3 min und 56,4 sec) multipliziert. Ist der gesuchte Tag vor dem Tag, an dem der Stern um Mitternacht kulminiert, wird diese Zeit zur lokalen Mitternacht addiert (der Stern kulminiert also ca. 4 min pro Tag später). Ist der gesuchte Tag nach dem Tag, an dem der Stern um Mitternacht kulminiert, wird diese Zeit von der lokalen Mitternacht subtrahiert (der Stern kulminiert also ca. 4 min pro Tag früher). Dies kann an der äußeren Skala des Rechners in 5 min Abständen begerechnet werden.
Dabei ist zu beachten, dass die lokale Mitternacht nicht an jedem Ort um genau 24:00 Uhr stattfindet, sondern um den Längengrad des Beobachtungsortes korrigiert werden muss. Dafür wird der Längengrad des Ortes vom Längengrad des lokalen Zeitzonenmeridians abgezogen und dann mit dem Wert von 4 Minuten / 1° multipliziert.
(24 h · 60 min) / 360°
= 1440 min / 360°
= 4 min / 1°
Das Ergebnis ist dann zu 24:00 Uhr zu addieren (Vorzeichen beachten!). Ist am Beobachtungsort am aktuellen Tag eine Sommerzeit aktiv, ist zum Ergebnis noch diese Zeit zu addieren.
Zum Beispiel liegt Berlin auf dem Längengrad von ca. 13,400974°. Die MEZ (Mitteleuropäische Zeitzone) hat einen Längengrad von 15°. Mitternacht im Berlin findet in der Winterzeit um
24:00 Uhr + ((15° − 13,400974°) · 4 min)
= 24:00 Uhr + (1,599026° · 4 min)
= 24:00 Uhr + 6,396104 min
= 24:06:23,7 Uhr
= 00:06:23,7 Uhr
des nächsten Tages statt.
In der Sommerzeit findet die Mitternacht in Berlin um 1:06:23,7 des nächsten Tages statt. Warschau liegt auf dem Längengrad von ca. 21,020004°. Die MEZ (Mitteleuropäische Zeitzone) hat einen Längengrad von 15°. Die Mitternacht in Warschau findet in der Winterzeit um
24:00 Uhr + ((15° − 21,020004°) · 4 min)
= 24:00 Uhr + (−6,020004° · 4 min)
= 24:00 Uhr + (−24,080016 min)
= 23:35:55,2 Uhr
statt. In der Sommerzeit findet die Mitternacht in Warschau um 00:35:55,8 Uhr des nächsten Tages statt.
Für Orte mit negativen Längengraden (z.B. in den U.S.A.), wird der Längengrad des Ortes und des Zeitzonenmeridians zunächst von 360° abgezogen und dann nach oben beschriebener Methode berechnet.
(Danke an Telemeternutzer Andrej für dieses Tutorial!)
Ressourcen:
Fußnoten:
- Beide Methoden sind in der vierten Ausgabe des Quadrant-Telemeter Handbuches im Abschnitt "Bestimmung des lokalen Breitengrades" beschrieben. Weitere Informationen findet man in einschlägiger Literatur und auf Internetseiten zum Thema Behelfsnavigation. ↩
- Je nach Stern verändern sich die Koordinaten um wenige Bogenminuten oder sogar wenige Bogensekunden im Lauf eines Jahres bzw. einer Jahre. Deswegen spricht man hier von Epochen, wenn Angaben in den Tabellen und Sternkatalogen gemacht werden. ↩
- Der Vorteil des Quadranten für die Messung der Sternhöhe im Gelände liegt darin, dass der Quadrant die Messung vom Zenit (der Vertikalen) ausführt und umrechnet und man keinen wahren Horizont wie beim Sextant benötigt. ↩
- Wenn man unterwegs ist und wissen will, wie weit man südlich oder nördlich von seinem Heimatsort ist, misst man die Höhe eines Zenitssterns und zieht den gemessenen Wert von 90° (Zenithöhe des aktuellen Beobachtungsortes) ab. Das Resultat ist die Entfernung in Grad. Um Grad in Längenmaß umzurechnen, verwenden wir folgende Definitionen: 1° entspricht 60 Bogenminuten. 1 Bogenminute entspricht 1 nautischen Meile (NM). Daraus resultiert, dass 1° 60 NM oder 69,05 Meilen oder 111,12 km entspricht, in Süd-Nord-Richtung. Für die Ost-West-Richtung muss dieser Wert mit cos φ multipliziert werden. ↩
- Da die Bestimmung der Sternzeit durch die Berechnung des Julianischen Datums (Anzahl der vergangenen Tagen seit dem 1. Januar -4712 (4713 v. Chr.), 12:00 Uhr UT) für die Verwendung im Feld sehr unhandlich ist, wird sie an dieser Stelle nicht ausführlich beschrieben. ↩