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Einsatz und Verwendung der Azimutlinien auf dem Quadranten

Level: Fortgeschritten

Der Einsatz von Azimutlinien auf dem Quadranten ist nicht neu. Schon auf Quadranten aus dem 17. Jahrhundert sind Azimutlinien zu finden. Beispiele sind Quadranten wie der Prophatius oder der osmanische Quadrant, der im Osmanischen Reich bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts benutzt wurde, sowie der Gunter-Quadrant.[1]

Abbildung 1: Prophatius oder osmanischer Quadrant, Azimutlinien in Rot

Abbildung 1: Prophatius oder osmanischer Quadrant, Azimutlinien in Rot.

Abbildung 2: Gunter-Quadrant, Azimutlinien in Rot.

Abbildung 2: Gunter-Quadrant, Azimutlinien in Rot, Quelle: Instagram

Wozu werden Azimutlinien verwendet?

Mit Hilfe der Azimutlinien wird der Azimut eines Himmelskörpers (wie der Sonne) durch das Messen seiner Höhe über dem Horizont ermittelt und damit die Himmelsrichtung für die Navigation gefunden. Azimutlinien sind breitengradabhängig. Ein Quadrant mit Azimutlinien kann damit als Hauptkompass, wenn kein magnetischer Kompass zur Hand ist, oder als Hilfs- bzw. Backupkompass verwendet werden, um die Arbeitsweise des magnetischen Hauptkompasses zu überprüfen. Dabei wird ein echter Azimut ermittelt, der unabhängig von der magnetischen Deklination und Deviation vor Ort ist, die bei einem magnetischen Kompass zu Missweisung führen können.

Man beachte dazu die Definition des Azimuts für astronomische Beobachtungen:

"Das Azimut eines Gestirns ist der Winkel in der Horizontebene zwischen der Meridianebene und derVertikalebene des Gestirns. Das Azimut wird im traditionellen Sinne beginnend von Süden über Westen gezählt (Südazimut), so dass ein Gestirn im Süden ein Azimut von 0° und ein Gestirn im Westen ein Azimut von 90° hat, oder von Norden über Osten (Nordazimut). Dies ist die ursprüngliche astronomische Zählweise."[2]

Wie werden die Azimutlinien berechnet und in einen Quadranten eingezeichnet?

Im Vergleich zu den Stundenlinien, die als Funktion der Höhe eines Himmelskörpers über dem Horizont im äquatorialen Koordinatensystem verwendet werden, werden die Azimutlinien als Funktion der Höhe eines Himmelskörpers über dem Horizont im azimutalen Koordinatensystem erstellt.

Die Azimutlinien sind in gleicher Weise wie die Stundenlinien zu behandeln; ein Himmelskörper mit seiner Deklination (diese bleibt konstant) nach der Aufgang gewinnt an Höhe über dem Horizont bis er kulminiert und wandert damit von einer Stundenlinie zur anderen, genauso von einer Azimutlinie zu der anderen. Nach der Kulmination verliert der Himmelskörper an Höhe bis er untergeht und wandert zurück durch die Kurven. Die Stundenlinien sind Abbild der Stundenmeridiane im äquatorialen Koordinatensystem und die Azimutlinien sind Abbild der Meridiane im horizontalen Koordinatensystem.

Der Zusammenhang zwischen dem äquatorialen und azimutalen Koordinatensystem ist in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3: Zusammenhang zwischen dem äquatorialen und azimutalen Koordinatensystem.

Abbildung 3: Zusammenhang zwischen dem äquatorialen und azimutalen Koordinatensystem, Quelle: GQT5.

Wobei:

  • α – Azimut eines Himmelskörpers im azimutalen Koordinatensystem.
  • h – Höhe eines Himmelskörpers über dem Horizont im azimutalen Koordinatensystem.
  • τ – Stundenwinkel eines Himmelskörpers im äquatorialen Koordinatensystem.
  • δ – Deklination eines Himmelskörpers vom himmlischen Äquator gemessen im äquatorialen Koordinatensystem.
  • φ – Breitengrad des Beobachtungsortes.

Der Azimut eines Himmelskörpers kann mit Formel 36 "Berechneter Azimut eines Himmelskörpers" aus GQT5[3] berechnet werden:

cos(α) = (sin(δ) – sin(φ) * sin(h)) / (cos(φ) * cos(h))

Um die Kurven zeichnen zu können, wird die Höhe der Sonne in Bezug auf Azimut, Deklination und Breite benötigt. Es ist nicht möglich, den Sonnenstand direkt zu berechnen. Edmond Gunter hat das Problem geschickt gelöst und in seinem Werk "The Description and Use of the Sector, Cross-Staff and other Instruments"[4] ausführlich beschrieben.

Zuerst wird die Höhe der Sonne für einen gegebenen Azimut für die Deklination Null berechnet; d.h. die Sonne steht auf dem Äquator:

tan(h0) = cos(αs) / tan(φ)

dann wird ein Hilfswinkel x berechnet:

sin(x) = (cos(h0) * sin(δ)) / sin(φ)

Damit wird die Höhe der Sonne (h) für den Azimut und die Deklination berechnet:

  • Wenn: αs < 90°, h = x + h0
  • Wenn: αs > 90°, h = x - h0

Da diese Kurven nicht kreisförmig sind, ist eine beträchtliche Anzahl von Berechnungen erforderlich. Dies ist mit einem Tabellenkalkulationsprogramm oder einem einfachen Computerprogramm möglich. Für jede einzelne Kurve müssen alle Werte für Deklinationen im Bereich -ε < δ < +ε für die Sonne, oder im Bereich Äquatorhöhe über dem Horizont < δ < +90° für die Sterne berechnet werden.

Jeder berechnete Punkt der Kurve, wenn manuell geplottet wird, wird auf dem Quadranten mit Hilfe der Polarkoordinaten (h, δ) aufgetragen; d.h. wir setzen den Läufer auf die Deklination (δ) und drehen die Schnur auf die Höhe (h) um den Punkt aufzutragen.

Die Prozedur (Abbildung 4):

  1. Einstellen des Äquators, φ von 90°.
  2. Setzen der Schnur auf δ auf dem Gradbogen, gemessen vom Äquator.
  3. Setzen des Läufers auf den Sinusbogen.
  4. Setzen des oben berechneten Wertes von h auf dem Gradbogen.
  5. Die Position des Läufers ist ein Punkt auf der Azimutlinie.

Die Werte mit negativer Höhe werden nicht aufgetragen, da sich die entsprechenden Positionen unter dem Horizont befinden (Abbildung 5, obere Kante).

Abbildung 4: Konstruieren der Punkte für die Azimutlinien.

Abbildung 4: Konstruieren der Punkte für die Azimutlinien.

Abbildung 5: Azimutlinien.

Abbildung 5: Azimutlinien.

Wie werden die Azimutlinien verwendet?

Die Ermittlung des Azimuts eines Himmelskörpers ist ähnlich der Ermittlung der Zeit mit Hilfe der Stundenlinien und ist genau so einfach. Für die Ermittlung des Azimuts der Sonne wird die Schnur über den Kalender auf ein gegebenes Datum gelegt und der Läufer auf die Stelle des Überkreuzens der Schnur mit der 12-Stundenlinie geschoben.

  1. Für die Ermittlung des Azimuts eines Sterns muss zuerst die Kulminationshöhe des Sterns mit der Formel: hs = 90° - φ + δ berechnet werden.
  2. Dann wird die Schnur auf den Winkel hs auf der Winkelskala eingestellt und der Läufer auf die Position des Überkreuzens der Schnur mit der 12-Stundenlinie geschoben.
  3. Jetzt wird die Höhe des Himmelskörpers mit Hilfe des Quadranten gemessen und der Azimut am Läufer über die Azimutlinien abgelesen.
  4. Nachdem der Azimut des Himmelskörpers berechnet wurde, kann mit der Methode "Bestimmen von Nord und Süd via Sonnenazimut" aus GQT5 die Himmelsrichtung ermittelt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Messung vor oder nach dem Mittag gemacht wird, d.h. ob sich der Himmelskörper vor oder nach dem Meridiandurchgang befindet.

Wie sind die Azimutlinien zu interpretieren? In Abbildung 5 ist ein breitengradspezifischer Wndsn-Quadrant mit überlagerten Azimutlinien zu sehen.

Abbildung 5: Wndsn-Quadrant mit Azimutlinien.

Abbildung 5: Wndsn-Quadrant mit Azimutlinien.

Himmelskörper mit negativer Deklination befinden sich unterhalb des himmlischen Äquators bzw. südlich von ihm und sind im oberen Teil des Quadranten oberhalb der Linie der Tagundnachtgleichen zu finden. Diese Himmelskörper gehen südlich der Ostrichtung auf und südlich der Westrichtung unter. Das kann an den in diesem Bereich des Quadranten befindlichen Azimutlinien und am rechten Rand das Quadranten (Horizont) abgelesen werden. Diese Sterne überkreuzen mit ihrer Bahn weniger Azimutlinien, bis die Sterne mit der Kulminationshöhe (hs) näher gen Null und mit der Deklination δ = -(90° - φ) nur kurz im Bereich des örtlichen Meridians aufgehen und sofort wieder untergehen.

Himmelskörper mit positiver Deklination befinden sich oberhalb des himmlischen Äquators bzw. nördlich von ihm und sind im unteren Teil des Quadranten unterhalb der Linie der Tagundnachtgleichen zu finden. Diese Himmelskörper gehen nördlich der Ostrichtung auf und nördlich der Westrichtung unter. Das kann an den in diesem Bereich des Quadranten befindlichen Azimutlinien und am rechten Rand des Quadranten (Horizont) abgelesen werden. Diese Sterne überkreuzen mit ihrer Bahn mehr Azimutlinien, bis die Sterne mit der Kulminationshöhe (hs) näher gen 90° und mit der Deklination δ > +(90° - φ) durch den örtlichen Zenit (90°-Marke auf der Gradskala des Quadranten) gehen

Die Verwendung der Azimutlinien ist genau so leicht wie die der Stundenlinien und erweitert die Möglichkeiten des Quadranten.

(Danke an Telemeternutzer Andrej für dieses Tutorial!)


Ressourcen:

  • James E. Morrison “The Astrolabe"

Fußnoten:

  1. Der “Gunter-Quadrant" wurde beschrieben von Edmond Gunter (1581-1626) in "The Description and Use of the Sector, Cross-Staff and other Instruments". Dieser Quadrant ist einfacher zu verwenden, um die Zeit zu finden als der Quadrans Novus, der in Jahr 1623 veröffentlicht wurde und auch Sutton’s Quadrant genannt wurde. 
  2. Azimut 
  3. Filiusventi, "GRIMOIRE QUADRANTIS TELEMETRUM", 5. Ausgabe, 2021 
  4. Edmond Gunter, "The Description and Use of the Sector, Cross-Staff and other Instruments", 1619 

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